Fahrtwiderstände beim Birk Comet im Vergleich zu Rollwiderstandsmessungen auf Rollenprüfstand

Ziele der Testfahrten mit dem Birk Comet

Gestern konnte ich mein Birk Comet, so wie ich es auf der Radrennbahn in Öschelbronn gefahren bin, auch auf der offenen RR Zürich-Oerlikon testen. Einerseits galt es, die erstaunlich tiefen gemessenen Fahrtwiderstände zu plausibilisieren, andererseits wollte ich die Gelegenheit insbesondere dazu nutzen, bei mässig warmen Bedingungen und nur leichtem Wind den Rollwiderstandskoeffizienten in Abhängigkeit von der Geschwingidigkeit Cr(v) abzuschätzen, um einen Vergleich mit den Rollwiderstandsmessungen auf dem Rollenprüfstand zu ermöglichen.

Messanordnung

Mit dem Birk Comet (Heckverschalung, Bereifung: Conti Rekordreifen GP 28-406 und Rekordreifen GP 25-622, beide mit 8.0 bar Reifendruck) wurden während einer Dauer von jeweils 5 - 6 Minuten Runden mit Geschwindigkeiten von 5 km/h, 10 km/h, 20 km/h, 30 km/h, 40 km/h, 45 km/h und 50 km/h auf der Rennbahn oder dem Innenplatz gefahren. Die Messung wurde immer an der gleichen Stelle der Runde gestartet und beendet. Die getretenen Wattzahlen wurden per SRM-Leistungsmesskurbel ermittelt und mit einem Garmin Edge 800 sekündlich aufgezeichnet.

Abschätzung des Luftwiderstandes Cw*A

Will man den Rollwiderstand aus dem Fahrtwiderstand verlässlich abschätzen, so sollte auch schon bei rel. langsamen Geschwindigkeiten der jeweilige Luftwiderstand bekannt sein. Den Luftwiderstandsbeiwert (, welcher für den betrachteten Geschwindigkeitsbereich praktisch konstant sein dürfte,) ermittelt man mit Vorteil bei möglichst hohen Geschwindigkeiten, weil da der Rollwiderstand weniger stark ins Gewicht fällt. Beim Birk Comet beträgt  der Rollwiderstand bei 50 km/h nur ca. 25% des Luftwiderstandes. Selbst wenn man rel. unterschiedliche Rollwiderstandsbeiwerte zu Grunde legt, hat das wenig Einfluss auf den aus dem gesamten Fahrtwiderstand errechneten Luftwiderstand, wie nachfolgende Zahlen zeigen:
Cr=0.003 -> Cw = 0.478 => Cw*A = 0.1434
Cr=0.004 -> Cw = 0.451 => Cw*A = 0.1353
Cr=0.005 -> Cw = 0.425 => Cw*A = 0.1275

Anmerkung: Zur Berechnung der Cw-Werte wurde www.analyticcycling.com  > Tool: Static Forces On Rider > Power, given Speed mit folgenden Eingaben verwendet:
Querschnittsfläche: A = 0.3 m^2
Luftwiderstandsbeiwert: Cw = [manuell anpassen bis Leistung übereinstimmt]
Luftdichte: rho = 1.2 kg/m^3
Masse: m = 95 kg
Rollwiderstandskoeffizient: Cr = [ 0.003; 0.004; 0.005 ]
Steigung: 0
Geschwindigkeit: v = 50.4 km/h = 14 m/s

=> Für die weitere Berechnung der Rollwiderstände, kann von einem konstanten Cw*A von 0.13 m^2 resp. 0.14 m^2 ausgegangen werden, was auch einigermassen kohärent mit früheren Abschätzungen ist.

Resultate Rollwiderstandsbeiwerte Cr(v) und Vergleich

Der geschwindigkeitsabhängige Rollwiderstandskoeffizient Cr(v) kann durch Eingabe der Geschwindigkeit [m/s] und der dabei gemessenen Leistung mit nachfolgender Gleichung ermittelt werden:

Cr(v) = P - (0.5 * Cw *A * rho * v3) / (m * g * v)

Zusätzlich zu den auf Strasssenbelag und auf dem Rollenprüfstand gemessenen Cr(v)-Werten, sind grau-gestrichelt auch die Werte gezeichnet, welche sich aufgrund der Formel von Goro Tamai (The Leading Edge, 1999) ergeben würden, wenn von einem minimalen Cr (@ 0km/h) von 0.0025 ausgegangen wird.

Diskussion der Resultate

Die praxisnahen Fahrtwiderstandsmessungen mit dem Birk Comet zeigen eindeutig, dass der Rollwiderstand bei wachsender Geschwindigkeit mit ansteigt. Ob dieser Anstieg proportional zu v erfolgt, oder ob eine komplexere Funktion Cr(v) vorliegt, kann aufgrund der Resultate nicht bestimmt werden.

Im Geschwindigkeitsbereich zwischen 10 km/h und 30 km/h zeigen die mit ganz unterschiedlichen Methoden ermittelten Resultate eine überraschend gute Übereinstimmung für Cr(v). Messungen @ v < 10 km/h sind aufgrund der Ausflösung des SRM-Leistungsmessers und der steigenden Verlustleistungsanteils zu ungenau. Cr-Messungen @ v >= 40 km/h sind nur bedingt aussagekräftig, weil da wechselnde Windeinflüsse (z.B. Segeleffekt) die Messung verfälschen können.

Gemäss Goro Tamai setzt sich der Rollwiderstandskoeffizient Cr aus einer geschwindigkeitsunabhängigen Komponente "zero-speed" rolling-resistance coefficient Cr1 und einem linear von der Geschwindigkeit abhängigen Teil rolling-resistance speed factor Cr2 zusammen. Dementsprechend schlägt er zur Abschätzung des Rollwiderstandsbeiwertes für (N.B. unterschiedliche) Reifen(typen) folgende Formel vor:

Cr = Cr1 + Cr2 * v  ; wobei Cr2 = (n/3) * (4.1 * 10^-5) [1/(km/h)]

Formal hat die Gleichung für Cr die Form einer Geradengleichung: y = m * x + n , in der Cr2 = 0.000041 der Steigung entspricht, welche den  Cr von 0 km/h bis 50 km/h um insgesamt 0.00205 steigen lässt.

Die Konstante Cr2 = 0.000041 1/(km/h) ist das Resultat unabhängiger Messungen verschiedener Solarmobilreifen. Ob dieser Wert vereinfachend tatsächlich als konstant angenommen werden kann, oder ob er vom Reifenmaterial (Gummimischung, Reifentyp) oder vom Luftdruck abhängig ist, muss weiter untersucht werden. Zumindest zeigen Cr-Messungen von LKW- und PKW Radialreifen eine weniger starke Geschwindigkeitsabhängigkeit.

Charles Henry, 1.8.2015